Titel
Merkantiler Minderwert bei einem Liebhaberfahrzeug
Gerichtsinstanz
Gerichtsort
Mainz
Urteilsdatum
2022-10-28
Aktenzeichen
2 0 200/21
Kategorie
Teaser

Hintergrund

Gestritten wurde bei unstreitiger Haftung des Schädigers letztlich nur über die Höhe des zu ersetzenden merkantilen Minderwerts an einem Ferrari. Durch einen Unfall mit einem Motorrad kam es zu einer Anschrammung am rechten Außenspiegelgehäuse und die rechte Seitentür wurde verformt. Der vorgerichtlich tätige Kfz-Sachverständige ermittelte einen Minderwert 15.000,00 €, den die Versicherung des Schädigers auch zahlte. Der Geschädigte war damit aber nicht einverstanden. Er meint, der Minderwert betrage 40.000,00 €. Da es sich bei dem beschädigten Ferrari um ein Premiumfahrzeug eines Luxusherstellers handele, würden potenzielle Käufer umso mehr auf die Unfallfreiheit des Fahrzeugs achten. Sie seien nicht bereit, in der aufgerufenen Preiskategorie (Kaufpreise um 400.000,00 €) ein Liebhaberfahrzeug mit Unfallschaden zu erwerben. Das LG Mainz holte ein gerichtliches Sachverständigengutachten ein und sprach immerhin noch weitere 9.000,00 € Minderwert zu.

Aussage

Als merkantiler Minderwert (vgl. § 251 BGB) wird eine Minderung des Verkaufswertes bezeichnet, der trotz völliger und ordnungsgemäßer Instandsetzung eines bei einem Unfall erheblich beschädigten Kraftfahrzeugs allein deshalb verbleibt, weil bei einem großen Teil des Publikums – vor allem wegen des Verdachts verborgen gebliebener Schäden – eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb unfallbeschädigter Kraftfahrzeuge besteht. Diese Wertdifferenz stellt einen unmittelbaren Sachschaden dar. Trotz aller Fortschritte in der Reparaturtechnik trifft dies nach wie vor zu, zumal die technische Entwicklung im Fahrzeugbau insoweit auch höhere Anforderungen stellt. Dies gilt auch für mehrere Jahre alte Fahrzeuge mit hoher Laufleistung (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 07.02.2017, AZ: 1-1 U 34/16 m.w.N.). Das Gericht ist nach den Ausführungen des Sachverständigen davon überzeugt, dass durch den Unfall ein merkantiler Minderwert in Höhe von insgesamt 24.000,00 € eingetreten ist. Aufgrund der äußerst geringen Stückzahl des Modells könne keine der üblichen Berechnungsmethoden (etwa Hamburger Modell) angewendet werden, da die Sonderkonstellation eines Liebhaberfahrzeugs nicht berücksichtigt sei. Die Höhe der Reparaturkosten könne nicht als taugliches Kriterium herangezogen werden. Damit das Fahrzeug trotz Unfallschaden noch verkäuflich sei, müsse man mit einem hohen Preisnachlass rechnen. Dieser überschreite dann regelmäßig die unfall- oder schadenbedingten Reparaturkostenbeträge um ein Vielfaches.

Praxis

Das Gericht hat sich den Ausführungen des besonders erfahrenen Sachverständigen vollständig angeschlossen und zum einen klargestellt, dass ein merkantiler Minderwert auch bei fortschreitender Reparaturtechnik seine Berechtigung als Schadenposition hat. Zum anderen können die herkömmlichen Berechnungsmodelle auch nur auf herkömmliche Fahrzeuge Anwendung finden. Handelt es sich um ein besonderes Liebhaberfahrzeug, kommt es auf die Marktsituation und nicht auf die Höhe der Instandsetzungskosten an.

Anlagen

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