Titel
Minderwert auch, wenn im Gutachten nicht ausgewiesen
Gerichtsinstanz
Gerichtsort
Coburg
Urteilsdatum
2012-03-29
Aktenzeichen
11 C 1548/11
Kategorie
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Teaser
Wertminderung entsteht auch dann, wenn der vom Geschädigten beauftragte Sachverständige wider Erwarten in seinem Gutachten eine solche nicht ausweist. Fehler des Gutachtens gehen zulasten des Schädigers.

Hintergrund:
Der Kläger begehrt von der gegnerischen Haftpflichtversicherung merkantile Wertminderung, obwohl der von ihm beauftragte Sachverständige eine solche in seinem Gutachten aufgrund des Alters und des Reparaturweges ausgeschlossen hatte. Das Gutachten sei insoweit unrichtig. Er nimmt für sich in Anspruch, dass die Faustformel, dass bei einem Alter ab vier bis fünf Jahren eine Wertminderung nicht mehr entstehe, nicht mehr gelte.

Die gegnerische Haftpflichtversicherung beruft sich auf die Aussagen in dem Gutachten, hilfsweise rechnet sie mit einem Rückforderungsanspruch wegen teilweiser Unbrauchbarkeit des Gutachtens auf.

Aussage:
Das AG Coburg spricht dem Kläger entgegen der Angaben in seinem Gutachten aufgrund des Ergebnisses eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens eine merkantile Wertminderung zu. Hierzu führt es aus:

„… Das Gericht geht von der grundsätzlichen Möglichkeit des Eintritts dieser Spätfolgen auch im streitgegenständlichen Fall aus, obwohl mittlerweile die Reparatur von Fahrzeugen so weit fortgeschritten ist, dass im Einzelfall ein verbleibender Minderwert des Fahrzeuges nicht angenommen werden kann.

Wesentlich ist nur, dass und ob auf dem Gebrauchtwagenmarkt Unfallfahrzeuge einen geringeren Preis erzielen als unfallfreie (so auch Sander/Völtz, SachschadensR des Kraftverkehrs, 7. Aufl., Rdnr. 119; Splitter, DAR 2000, 49), weil verborgene technische Mängel nicht auszuschließen sind und das Risiko höherer Schadensanfälligkeit infolge nicht fachgerechter Reparatur besteht (so bereits BGHZ 35, 396 {398] = NJW 1961, 2253; VersR 1961, 707 [708]).

Diese Folge tritt trotz aller Fortschritte der Reparaturtechnik nach wie vor ein, zumal die technische Entwicklung im Fahrzeugbau insoweit auch höhere Anforderungen stellt (vgl. Eggert, VersR 2004, 280 [282]; v. Gerlach, DAR 2003,52 m.w. Nachw.; Hörl, ZfS 1999,46 [47]; ders., NZV 2001.175 [176]; Huber, in: Festschr. f. Welser, S. 312 ff., 334); (BGH NJW 2005, 277).

Der merkantile Minderwert kann auch dann ersetzt werden (Bemessung im Zeitpunkt des Endes der Reparatur, BGH NJW 1967, 552), wenn kein Verkauf erfolgt.

Insbesondere spricht vorliegend nicht gegen die Annahme einer merkantilen Wertminderung, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug um ein solches handelte, das im Unfallzeitpunkt bereits sieben Jahre alt war.

Der BGH hat zwar angenommen, dass es als aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden sei, wenn ein Berufungsgericht zwar berücksichtigt habe, dass sich das Fahrzeug der Klägerin in einem guten Pflegezustand befand, eine Laufleistung von 164.000 km auswies und 16 Jahre alt war, wodurch sich der Wiederbeschaffungswert auf (nur) 2.100 Euro reduzierte, aber im Rahmen des ihm nach § 287 ZPO zustehenden Ermessens die tatrichterliche Überzeugung gebildet hatte, bei einem solchen Marktpreis werde sich ein Unfallschaden, der zudem erkennbar nur nicht tragende Teile des Kraftfahrzeugs betroffen habe, nicht mehr wertmindernd auswirken.

Daraus folgt aber im Umkehrschluss nicht, dass bei Fahrzeugen eines gewissen Alters generell kein merkantiler Minderwert angesetzt werden könne. Dasselbe gilt für das Fabrikat.

Der BGH hat insoweit keine starren Grenzen gesetzt, bei denen noch vom Vorliegen eines merkantilen Minderwerts auszugehen sein könne (vgl. zu diesen Ausführungen insbesondere BGH, Urteil vom 23.11.2004 –·VI ZR 357/03).

Insbesondere stellt der BGH auch auf Art der Beschädigungen ab (BGH, Urteil vom 23.11.2004 – VI ZR 357/03: […] der zudem erkennbar nur nicht tragende Teile des Kraftfahrzeuges […]). Demnach kann insbesondere je nach Erhaltungszustand und die Art dar Beschädigungen, aber auch bei Fahrzeugen, die älter als fünf Jahre sind, im Einzelfall eine merkantile Wertminderung eingetreten sein. Dem folgt das erkennende Gericht in vorliegendem Fall.

Denn der Fall liegt hier so, dass das streitgegenständliche Fahrzeug zwar im Unfallzeitpunkt 7 Jahre alt war, aber angesichts der geringen Laufleistung von 40.000 km sich noch in einem Zustand befand, in dem ein Unfall – zumal angesichts der beschädigten Teile des Fahrzeuges·– einen merkantilen Minderwert zur Folge haben kann. …“

Praxis:
Das AG Coburg stellt noch einmal ausdrücklich klar, dass eine merkantile Wertminderung auch bei Fahrzeugen gegeben sein kann, wenn diese älter als 5 Jahre sind. Der früher geltenden Faustformel wird damit eine eindeutige Absage erteilt. Der sachverständigen Ermittlung durch eigene Einschätzung und Abfragen bei Kfz-Händlern wird gegenüber der formelhaften Berechnung der Vorzug gegeben.

Quellen

BVSK-Rechtsdienst, Ausgabe 83/2013, Die Rechtsprechung zur merkantilen Wertminderung

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