Titel
Wertminderung für einen La Ferrari Aperta in Höhe von 1,2 Mio. €
Gerichtsinstanz
Gerichtsort
Heidelberg
Urteilsdatum
2022-04-26
Aktenzeichen
4 O 93/20
Kategorie
Teaser

Hintergrund

Der Geschädigte hatte sich für 6 Mio. € einen unfallfreien Ferrari gekauft, der dann abgeparkt beschädigt wurde. Für die Instandsetzung waren Reparatur- und Lackierkosten von insgesamt 327.000,00 € erforderlich. Die Reparatur wurde technisch ordnungsgemäß durchgeführt und von der gegnerischen Versicherung auch beglichen. Uneinig war man sich bei der merkantilen Wertminderung, die der Geschädigte zunächst mit nur 750.000,00 € bezifferte. Vor Gericht wurde es für die Versicherung dann sehr viel teurer.

Aussage

Der merkantile Minderwert stellt vorliegend einen ersatzfähigen Schaden dar. Es handelt sich um eine Minderung des Verkaufswerts, die trotz völliger und ordnungsgemäßer Instandsetzung eines bei einem Unfall erheblich beschädigten Fahrzeugs allein deshalb verbleibt, weil bei einem großen Teil des Publikums – vor allem wegen des Verdachts verborgen gebliebener Schäden – eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb unfallbeschädigter Fahrzeuge besteht. Voraussetzung ist, dass ein relevanter Markt den Unfallschaden bei der Preisbemessung mit Abschlägen bestraft. Soweit ein Markt für die zu ersetzende Sache vorhanden ist, ist der Preis, der durch Angebot und Nachfrage gebildet wird und der im Allgemeinen der Wiederbeschaffungswert ist, ein geeigneter Anknüpfungspunkt, den wirtschaftlichen Wert der Sache in Gestalt des Tauschwerts in Geld zu bemessen. Bei dem Fahrzeug des Klägers handelt es sich um einen La Ferrari Aperta. Dieses Fabrikat gehört zur Gattung der Hypercars, die in Preis, Motorleistung und Fahrleistung deutlich über der Kategorie der Supersportwagen angesiedelt sind und in einer sehr geringen Stückzahl gefertigt werden. Von der offenen Version des La Ferrari wurden nur 211 Stück gebaut. Der Kaufpreis für früh auf dem freien, für jedermann zugänglichen Markt gehandelte Fahrzeuge dieser Version betrug 4-6 Mio. €. Hintergrund für die Preisbildung war der Umstand, dass La Ferrari anfangs nicht verkauft, sondern handverlesen zugeteilt wurde. 210 Stück wurden 2017 in einer Vorpremiere in Modena für 1,95 Mio. € (Grundpreis) an Kunden verkauft, die schon einen Ferrari erworben, sich zur Teilnahme an der Vorpremiere erfolgreich beworben und im Rahmen der Verlosung auf der Vorpremiere das Kauflos gezogen hatten. Das 211. Fahrzeug wurde auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung für 7 Mio. € verkauft. Im Unfallzeitpunkt wies das Fahrzeug des Klägers einen Kilometerstand von 5.886 km auf und war unfallfrei. Durch den Unfall wurde die Front des Fahrzeugs erheblich beschädigt. Der komplette Vorderwagen einschließlich der Windschutzscheibe und der rechten Tür waren von der Reparatur betroffen. Vorderwagen und Tür wurden neu lackiert. Der gerichtlich bestellte Sachverständige hat detailliert begründet, warum es für das Fahrzeug des Klägers einen Markt gibt, der es wegen des Unfalls mit einem Abschlag bestraft. Allerdings sei das Fahrzeug auf dem sonst üblichen Markt für La Ferrari Aperta unverkäuflich. Der übliche Markt sei klein und werde von spezialisierten Händlern, die ausschließlich Luxusfahrzeuge verkaufen, dominiert. Es seien in der Regel Sammler, die La Ferrari Aperta kauften. Diese würden sich für das Fahrzeug des Klägers nicht interessieren. Ein Fahrzeug mit einem Bundesverband der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e.V. -BVSK- Impressum: Bundesverband der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e.V. -BVSK-, Menzelstraße 5 – 14467 Potsdam Tel.: +49 (331) 23 60 59 0 – E-Mail: info@bvsk.de – Internet: www.bvsk.de – Amtsgericht Potsdam, Vereinsregister-Nr.: VR 7953 P – Geschäftsführer (bestellt durch den Vorstand): Martin Schmelcher – Vertretungsberechtigter Vorstand: Dirk Barfs (Präsident), Georg Schwadorf, Dipl.-Ing. (FH) Michael Wessels, Dipl.-Ing. (FH) Roland Wolf Newsletter 3 / 8 beseitigten Vorschaden werde auch mit hohen Abschlägen nicht gekauft. Der Verlust des Originalzustands schrecke Sammler ab. Neben dem damit nicht zugänglichen Sammlermarkt gebe es jedoch die Restwertbörsen wie AUTOonline oder WinValue. Dort seien Kaufangebote bis zu 2,4 Mio. € abgegeben worden. Das Gericht bemisst den merkantilen Minderwert vorliegend gemäß § 287 ZPO mit 1,2 Mio. €. Eine schematische Handhabung der verschiedenen anerkannten Schätzmethoden ist aufgrund der in jedem Einzelfall zu berücksichtigenden Besonderheiten – insbesondere Alter, Fahrleistung, Erhaltungszustand, Marktsituation, Marktgängigkeit des Fahrzeugs, Art und Ausmaß des Schadens – abzulehnen. Maßgeblich ist der Wert der Sache vor dem Schadenfall. So kann ein merkantiler Minderwert zu verneinen sein, wenn das betroffene Fahrzeugmodell sehr gesucht und wertstabil ist, andererseits aber auch zu bejahen sein, wenn bei sehr alten Fahrzeugen (Oldtimern) der Verkehrswert gerade darauf beruht, dass es sich um ein unbeschädigtes Original handelt. Die Bemessung der merkantilen Wertminderung könne nicht auf Grundlage des BVSKWertminderungsmodells oder der Marktrelevanz- und Faktorenmethode (MFM) erfolgen, weil diese Wertminderungsmodelle für den Massenmarkt entwickelt worden seien. Die merkantile Wertminderung ist daher als Differenz zwischen dem Verkaufswert des unversehrten Originals und dem Verkaufswert des fachgerecht instand gesetzten Fahrzeugs zu bemessen. Als tatsächlich erzielbaren Verkaufswert hat der Sachverständige das abgegebene Kaufangebot von 2,45 Mio. € angesetzt. Zur Differenzbestimmung hat der Sachverständige den Verkaufswert des unversehrten Originals mit 5,1 Mio € als Hilfswert herangezogen, um die Vergleichbarkeit zu sichern. Auch nicht verunfallte Fahrzeuge hätten an Wert verloren. Für das Fahrzeug des Kläger könne ohne den Unfall ein Wiederbeschaffungswert von 3,65 Mio. € angesetzt werden. Der merkantile Minderwert betrage daher (3,65 Mio. € – 2,45 Mio.€ = 1,2 Mio. €).

Praxis

Sicherlich handelt es sich vorliegend um keinen „Allerweltsunfall“, bei dem hier der merkantile Minderwert zu bewerten war. Nichtsdestotrotz hat das Gericht – sachverständig beraten – hier die Grundsätze des Minderwertes angewandt und kam zu einem für die Versicherung wirtschaftlich nicht so günstigen Ergebnis.

Anlagen

Links
Quellen

BVSK e.V.

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